»mensch sein lernen«

  • 14.06.2022 (aktualisiert)
  • von Gastautor*in
  • Lesezeit: 15 Minuten
Was macht den Menschen aus? Was ist sein Ziel? Die Menschwerdung? Reni Meyza begibt sich auf die Suche nach Antworten und nimmt uns auf dieses Gedankenexperiment mit ...
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Wir kommen unfertig in diese Welt und gehen ebenso unfertig wieder von ihr fort. Es liegt kein Ziel in unserer Herrlichkeit. Niemals resultieren wir in etwas Absolutem. Wir bleiben ewig Gast, der wieder weiterzieht. Wir schließen den Augenblick mit einem Wimpernschlag zum Nächsten. Jetzt – und wieder jetzt.
Da hat das Nächste schon Töne angenommen.

So gehen unser Denken und Handeln stets in einer Form der Bewegung vor sich, und darin wandeln wir, suchen ein lebendiges Verstehen der Umstände zu sein, in denen wir uns befinden. Wir versuchen unser Denken und Handeln an mehr oder weniger endgültige Resultate zu binden, immer aber auf der Suche nach einer nächsten Wahrheit, die uns für eine kurze Zeit einen Stillstand bringt, im andauernden, alltäglichen Versuch, die Auflösung der aufkommenden Schwierigkeiten zu erreichen.

Man könnte den Menschen als eine ewige Problem-Lösungs-Maschine betrachten, die sich selbst permanent mit Fragen füttert und diese in einer Endlosschleife erforscht und erkundet – stets bestrebt, immer wieder neue, bessere Antworten zu generieren.

Im Grunde tun wir den ganzen Tag lang ja nichts anderes außer: Fragen stellen, Aufgaben und Probleme lösen – Antworten suchen. Lernen.
Wir lernen und üben verschiedenste Haltungen, Denk- und Handlungsweisen ein. Wie man mit sich selbst, wie man mit diesem und jenem Menschen und all den mehr oder weniger lebendigen Weltdingen umgeht. Wie man sich zu ihnen ins rechte Verhältnis rückt. In eines, dass sich “stimmig” anfühlt. Dabei ändert sich im Laufe des Lebens dieses Gefühl von “Stimmigkeit” ständig. Wir stimmen nicht allzeit mit denselben Gedanken, Menschen, Umständen überein.
Schlicht auf Grund der Tatsache, dass wir uns verändern (können) und unser inneres wie äußeres Leben sich eben in einer permanenten Bewegung befindet. Unser Ein-stimmen mit der Welt ist keine einmalige Angelegenheit, sondern ein andauerndes Schwingen.

    Being
& Vibration

Wir suchen den Ein-klang mit uns selbst und der Welt. Wie verschieden dieser in unseren Vorstellungen und Lebensentwürfen auch immer aussehen mag. Gleich ist uns, dass wir alle danach streben.

Und dass unser Lernen, das Erkunden und Erforschen des inneren und äußeren Weltgeschehens, stets der Suche nach Erkenntnisgewinn zur Weiterentwicklung und Erklärung von Da-Sein dient, um die beschriebene Stimmigkeit zu erzeugen oder ihre Unstimmigkeit verstehen zu können.

Wie man die Dinge in Ordnung bringt, die sich im Chaos befinden. Wie man sich auf seine eigene Art und Weise in der Welt veräußern kann, als ob man als Mensch immer wieder neu zur Welt kommen will, wie ein zweites Mal. Seinen Platz haben in der Welt, sein Zeugnis vom Da-Sein ablegen. Das machen wir Menschen. Etwas neu gebären und es mit Gebärden versehen.

Anders als jedes andere Lebewesen fügen wir der Welt Dinge hinzu, die es so vorher nicht gegeben hat und die uns überdauern sollen. Dass wir ein Teil der Welt sind, der kommt und eben gleichfalls wieder geht, fällt uns schwer zu akzeptieren. Oder ist es eben einfach der schöpferische Drang, etwas gestalten zu wollen, einem Ding oder eben einfach dem Leben eine eigene, individuelle Form zu geben?

Hand anlegen an den Tag. Erkunden, Erforschen, Erfassen, Ergänzen, Erfinden, Verbessern, Veräußern, Verstehen. Ordnen, Zerstören, wieder Aufbauen, Weiterentwickeln. Wachsen.

»Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das Leben will.«
(albert schweitzer)

Etwas kreieren und den Schöpfergeist walten lassen. Das tun wir alle auf unsere Art. Wir verfolgen oder legen uns dazu eine bestimmte Spur, die uns Weg wird, begehen eine Reise, erforschen Unbekanntes – machen uns etwas Fremdes vertraut – immer wieder. Stets mit dem Ziel, die Landkarte unseres bewusst erlebbaren Seins und unser Handlungsspektrum zu erweitern.

Wir fragen uns: “Was – außer dem, was ich kenne – gibt es noch?”

Sich (weiter)entwickeln wollen, der Wunsch nach Wachstum – mit ihm ist ein jeder von uns in die Wiege der Welt gelegt worden. Wir alle wollen wachsen und werden und streben nach etwas.

Ob es nun das Bestreben einer inneren oder äußeren Entwicklung sein mag. Nehmen wir zum Beispiel rein güterbezogenes, kapitalistisch orientiertes Wachstum. Es ist, ohne es einer persönlichen Bewertung zu unterziehen, erst einmal bloß schlicht der Wunsch nach Wachstum und Reichtum. Wo auch immer wir diesen Reichtum meinen, finden zu können. Ob im Innen und/oder Außen. Das Ziel beheimatet denselben menschlichen Impuls im Ursprung: “Mehr haben/sein”, als das was ist, “weiter denken/gehen” als der gedankliche oder physische Ort, den wir kennen. Sich etwas erarbeiten, aus dem Wunsch heraus, einen bestimmten Bereich in uns, in unserem Leben expandieren zu sehen. Woanders ankommen, als dort, wo man gestartet ist.

Wir alle denken uns dazu eine absehbare Zukunft aus – und würfeln uns in ein unbekanntes Spiel, das wir Morgen und Übermorgen nennen und in dem wir jeden Tag nichts Anderes tun als Aufgaben zu lösen, wieder über Los zu gehen und uns in eine neue Runde zu drehen. Möge sie die einer aufwärtsgerichteten Spirale sein.

________

Im Laufe unseres Lebens lernen wir alles mögliche, sinnvolle und unsinnige Zeug (kennen). Wir integrieren die daraus gewonnenen Erkenntnisse in unser Denken, Fühlen und Handeln, als unsere Werkzeuge, mit denen wir an und in der Welt aktiv werden.

Lernen ist als Überlebensantrieb Teil unserer menschlichen Natur. Unsere ersten Lernerfahrungen sind nie freiwillig, sondern immer notwendig, um zu (über)leben. Wir nehmen die Umgebung, in die wir hineingeboren werden, als das einzig Bekannte und somit selbstverständliche Erfahrungsgebiet der Grundlage unserer Erkenntnisse an. Wir knüpfen unseren Lebensfaden an die Historie des Vorhandenen und weben unser Dasein ein, in das Netz der existierenden Beziehungen, Gedanken und Handlungsmuster. Wir knüpfen an, an all jene Lebensstrukturen, die ihren Ursprung schon weit vor uns fanden – und werden darin Tag ein, Tag aus, an jedem Du weiter zum Ich.

Und ohne denjenigen oder diejenigen Anderen wären wir nichts und wüssten nichts – ja könnten nicht einmal unsere leibliche Existenz haben – durch die wir zum Leben gelangen.

Das ganze Rückgrat der kulturellen Kollektivleistung und Zivilisation entlang, deren Gehalt uns aus Jahrtausenden überliefert worden ist, finden wir uns als Individuum wieder, wie eine Perle, die sich aufreiht, auf diese Kette der Geschichte.

Doch unsere Lernerfahrungen bleiben trotz aller Vorgaben: persönlich, eigen und intim. Die Matrix an Umständen, in die wir hineingeboren werden, gepaart mit all der Diversität an Wesensarten, die in uns Menschen beheimatet sind, lässt uns eine sehr subjektiv geprägte Erfahrung an der Welt machen.

Jene Lernerfahrungen, die wir im Laufe des Lebens machen und die Lehren, die wir daraus ziehen, können im Resultat nur so gleich und verschieden sein, so gleich und verschieden wir als Menschen sind.

Es kommt mir einerseits banal vor dies zu erwähnen, und andererseits frage ich mich, ob uns nicht genau diese simple Tatsache zu berücksichtigen im Versuch, unser Miteinander in seinem Gelingen und Misslingen verstehen zu können, oft fehlt. Die vermeintlichen Erkenntnisse zurückverfolgen entlang ihres Lernweges.

Auf der Suche nach der übergeordneten Stimmigkeit, die uns die Widersprüche des Lebens befrieden soll, fragen wir uns schließlich immer wieder: Was von alledem, was mir als (Lern)Erfahrung angeboten wird und wurde, brauche ich wirklich? Was verhindert mich und was dient mir, um mich und mein Leben auf eine Art und Weise zum Klingen zu bringen, die mir gefällt, die mir dienlich ist?

Uns ist die Fähigkeit gegeben, die Sinnhaftigkeit des Vorhandenen, die Möglichkeitsbedingungen unserer Lernerfahrungen zu hinterfragen. Wir können unser eigenes Denken bewusst zurückwenden auf sich selbst – können Strukturen von unbewusst Gelerntem und vermeintlich gültigem Wert aufdecken, neu betrachten, aus anderen Perspektiven ansehen und bewusst verändern.

Denn: Was wir für einen haltbaren Hintergrund halten, vor dem wir leben – haben wir wahrlich und wirklich Kontakt gehabt mit der Wahrheitsfindung
und der Qualität unserer vermeintlichen Lehrsätze? Sind wir verbunden mit dem, was wir meinen zu wissen und gelernt zu haben? Und wenn ja – inwiefern gilt dann das, was wir denken, über uns und die Welt gelernt zu haben, auch für unser Gegenüber?

Wie oft oder selten hat man sich, mit dem was man als Einwand hervorbringt, wirklich eigenständig auseinandergesetzt?

Sich die Tür in die Welt selbst einzeichnen

Wir können uns fragen:
Lebe ich aus zweiter Hand in den vorgefertigten Gedankengebäuden der Konventionen anderer weiter? Lebe ich in den Träumen fremder Ideen?
Sind meine Gedanken der Meinung der Mehrheit unterworfen? An welchen und wessen Richtlinien orientieren sie sich? Wo bin ich Nachkomme und wo bin ich Vorfahre? Was, von dem was ich gelernt habe, dient mir wirklich?
Wenn ich nicht all den vorgegebenen Spuren folgen würde: wie, wo, mit wem würde ich mir meine eigenen legen? Welche eigenen und welche fremden Gedanken und Gefühle haben die Grundlage meiner Handlungen und Entscheidungen beeinflusst?

Sich trotz der Geschäftigkeit der Tage einmal der Zumutung anvertrauen, still zu werden. Als einen ersten konkreten Schritt, das Gelernte zu hinterfragen. Einfach, um nicht als eine Reiz-Reaktionsmaschine zu enden, die in einem einzigen Automatismus unbedacht Überliefertes wiederholt.

Raum für Reflexion

Aber nicht durch Nachdenken und Grübeln zu versuchen, den Gehalt der Lehren zu erkennen, sondern sich erlauben, sich von der Stille öffnen zu lassen, ein-fallen zu lassen, auf-tauchen zu lassen, was wirklich wichtig ist.
Und die Bereitschaft zu einer gewissen Skepsis einzuüben, gegenüber scheinbaren Selbstverständlichkeiten.

Weil wir in einer Welt leben, in der wir ständig und unmittelbar Antworten geben müssen – löschen wir oft die Pause zwischen Reiz und Reaktion. Und damit die Möglichkeit zur Reflexion und zum “Selber denken”. Wir löschen das Wundern und Staunen und vergessen die Möglichkeit, dass wir Dinge immer auch wie zum Ersten Mal betrachten können. Wir missachten die Fähigkeit des Versunken-Seins, des Hingegeben-Seins mit einem wachen Realitätssinn. Wir lernen oft verbissen, bereiten uns eilig auf das Nächste vor und arbeiten schon auf ein neues Ziel hin. Aber der Raum danach, das Nach-Sinnen, Nach-Arbeiten, schätzen wir wenig. Dagegen befeuern wir uns mit Schlagworten, konsumieren Wissen wie eine Fertigware und beenden unsere Konversationen mit blassen Redensarten, weil wir das offene Ende einer nicht unmittelbar zu beantwortenden Frage kaum aushalten können.

Dabei braucht es manchmal schlicht ein wenig Zeit und Muße, damit sich hinter dem scheinbar Offensichtlichen das Wahre offenbart und uns lehrt.

Denn um in der Begegnung mit einem Menschen oder einer Sache wahrlich etwas zu lernen, das nachhaltig ist und unser Wesen als Ganzes ergreift, muss in dieser Beziehung zu genau diesem – zum Wesentlichen – etwas vordringen können. Es muss etwas in uns zum Klingen gebracht werden, in uns an-klingen, uns an-rufen, an-sprechen. Es muss etwas eine so starke Resonanz erzeugen, dass die Information, die wir empfangen, eine prägende Wirkung in uns auslöst und den Wunsch nach tieferer Auseinandersetzung.
Sollten wir mutig genug sein, die Lernherausforderung anzunehmen.

Lernen wieder als die Forscherfähigkeit des Fragenstellens und Erkundens zu begreifen, dem wir die Erlaubnis geben, ein Dialog zu sein, der nicht schon geführt wurde. Und das Bekannte, Vertraute, Eigene, genau wie das Andere, Fremde, Unverstandene und Geheimnisvolle in einem vorurteilslosen Raum neu betrachten zu können.

Jeder Mensch stellt Fragen an die Welt, an sich selbst, sein Gegenüber, an die Weltdinge und all die verschiedenen Strukturen und Systeme, in denen er sich bewegt: Was es heißt in die Welt zu gehen, in ihr zu stehen, mit ihrem Gehalt vertraut zu werden. Mit all den offenen Fragen und Widersprüchen umzugehen. Wo, wie und von wem lernen wir mit diesen Fragen vertraut zu werden?

»Am Du zum Ich werden Lernen ist immer auch: kennen-lernen.«

“How it is to live and how it is to be with other people?”

I was happy about what I learned at school: There was a lot of creativity, classes outdoor. We learned, we adopted trees, it was a lot about how to care about nature, but also feeling comfortable in nature…how to make a fire, how to protect ourselves from nature. You got connected I think in a unique way.
Everyday we went out, we cooked our meals in a tippieh.

Then I came out as a weirdo when I got to regular school. I often wished that people would have told me that life is not gonna be easy. That it is not fun all the time.

That there are important topics. Like in general how to deal with certain big questions. My youth was just so fucking fucked up. I still struggle with a lot of existential questions. I think we all go through it in one way or another.

But having the space to talk about it. A space where one can ask all the questions everyone wants to know but is afraid to ask. There are questions that everyone will ask oneself throughout life. I think it´s so important for us to realize that other people give perspectives.

That it´s important to learn that there are many ways to create a life and not just the heteronormative one and to actively question the perspectives to represent more diverse ones.

If I would have had role models from an older generation at an earlier age for example, I think that´d would have been helpful. …Also in the city there is such a heteoronomic norm. Very white, very…

…Just questioning all these kind of structures…”*

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