»drei bücher von … ralph«
Wir möchten euch wieder drei Bücher von einem Les Enfants Terribles-Mitglied vorstellen. Dieses Mal kommen die Buchtipps von Ralph Gloor.
Walter Moers: Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär
»Ein Blaubär hat 27 Leben. Dreizehneinhalb werde ich in diesem Buch preisgeben …«, so beginnt der allererste Roman von Walter Moers. Also genauer gesagt von Hildegunst von Mythenmetz, einem zamonischen Dichter. Walter Moers hat das Buch lediglich aus dem Zamonischen übersetzt.
Die Geschichten finden auf dem Kontinent Zamonien statt. Darin geht es um Zwergpiraten, Klabautergeister, Waldspinnenhexen, Tratschwellen, Stollentrolle, Finsterbergmaden, eine Berghutze, einen Riesen ohne Kopf, einen Kopf ohne Riese, schlafwandelnde Yetis, einen ewigen Tornado, Rikschadämonen, einen Prinz aus einer anderen Dimension, einen Professor mit sieben Gehirnen, denkenden Sand, eine kulinarische Insel, Kanaldrachen, dramatische Lügenduelle, Nattifftoffen, viereckige Sandstürme, eklige Kakertratten, das Tal der verworfenen Ideen, Horchlöffelchen, Zeitschnecken, Olfaktillen, einen Malmstrom, tödliche Gefahren, ewige Liebe, Rettungen in allerletzter Sekunde – und vieles andere mehr.»
Neben der spannungsreichen Erzählung als solches, spinnt Hildegunst von Mythenmetz dabei ein dichtes Verweis- und Bezugssystem auf verschiedene Texte, Medien, Personen, Kunstwerke und Orte, was viel Freude auf verschiedenen Ebenen beim Lesen ermöglicht.
Die Geschichten nutzen viele klassische Elemente aus der Literatur und orientieren sich dabei stark an der Heldenreise (Campbell/Vogler). Ist einem dieses Grundmuster bekannt, kann man immer wieder Bezüge auf die eigenen Heldenreisen herstellen und Begegnungen, Situationen und Wahrnehmungen besser erkennen und einordnen, was einem entsprechenden Handlungsspielraum schafft.
„Das Leben ist zu kostbar, um es dem Schicksal zu überlassen.“
Gerald Hüther: Würde. Was uns stark macht – als Einzelne und als Gesellschaft
„Wer ein Bewusstsein seiner eigenen Würde entwickelt hat, ist nicht mehr verführbar“
Dieses Buch von Gerald Hüther ist kein wissenschaftliches Werk. Es verzichtet auf seitenfüllende akademische Exkurse, Verweise auf Sekundärliteratur und stellt auch nicht seine eigene Brillanz in den Vordergrund. Es ist ein Buch, welches aus seiner langjährigen Beobachtung und Wahrnehmung der Entwicklung von Welt und Menschen entstand. Ob er sich auf das Verhalten gegenüber anderer Menschen oder der Umwelt bezieht, er spürt in diesem Buch der These nach: verletzt nicht jeder, der die Würde eines anderen Menschen verletzt, in Wirklichkeit seine eigene Würde?
Für mich hat dieses Buch den Begriff «Würde» sehr klar, einfach und verständlich gemacht. Insbesondere, dass Würde nicht mit «Werten» gleichzusetzen ist. Diese Unterscheidung zu erkennen war für mich essenziell. Ich habe mich immer an Werten orientiert und über Werte definiert. Dabei habe ich ignoriert, dass ich unter Umständen zulasse, dass meine Würde infrage gestellt wird.
Ich habe die Beobachtung gemacht, dass man in Unternehmen Werte – in Leitbildern und Ansprachen, Flyern und Postern in den Pausenräumen – häufig einsetzt, um die Mitarbeiter zu Objekten von Massnahmen und Anordnungen machen zu können, also verführt werden zu können. Das muss nicht immer bewusst passieren, «Werte» sind auch hilfreich. Man sollte sich einfach bewusst sein, dass Werte austauschbar sind:
„Preis und Würde, alles hat entweder einen Preis, oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.“ (Immanuel Kant)
Dieses Buch hat für mich auch einen großen Anteil an der Verarbeitung einer Depression/Burnouts – und hat mich meiner Würde bewusst gemacht. Bei vielem was uns an New Work wichtig ist, sehe ich die Würde eines jeden einzelnen als die Grundlage – und nicht mehr Werte. Diese Erkenntnis verändert sehr viel im Umgang mit Systemen und Organisationen. Es erlaubt einem, würdeloses Verhalten zu erkennen, sich davor zu schützen und erlaubt einem selbst einen achtsamen, positiven Umgang damit.
Es ist nicht zu spät seine Würde zu entdecken und dann diese auch einzufordern.
Fritz B. Simon: Meine Psychose, mein Fahrrad und ich. Zur Selbstorganisation der Verrücktheit
Was ist das überhaupt, „verrückt?“
Diese Problematik steht am Anfang – und am Ende – dieses Buches.
Beginnend mit einem diagnostischen Text hinterfragt Simon unsere Wahrnehmungen und Grundvorstellungen von uns und der Welt. Humorvoll zeigt er die Probleme der Begriffsbestimmung auf. Wie mächtig die Deutungshoheit ist und was das für verschiedene Modelle und Beispiele auf die Selbstorganisation geschlossener und vernetzter Systeme bedeuten kann. Hierbei hinterfragt er genauso den Wert von Modellen, wie auch die Vor- und Nachteile verschiedener Modelle zum Funktionieren von Systemen. Dann widmet er sich der Rolle des Beobachters von Systemen und dies in einer überaus ausgiebigen Form. Dabei führt er den Laien auch noch ganz nebenbei in die Grundlagen der klassischen Logik und Philosophie mit Bezug auf die Identität ein.
Dieses Buch gibt wenig Antworten, stellt aber immer wieder neue Fragen und genau das ist auch seine Absicht. Denn „verrückte“ Menschen stellen unsere „unverrückten“ Wahrheiten infrage und wenn wir mit ihnen zu tun haben und sie verstehen wollen, dann müssen wir von unseren „unverrückbaren“ Wahrnehmungen ein wenig abrücken – wobei dieses Buch sicherlich mustergültig hilft. Ich habe dieses Buch vor gut 25 Jahren das erste Mal gelesen… Und gerade im Kontext von New Work macht es immer noch Sinn und erinnert einem immer daranm offen und neugierig zu sein und bleiben. Das gilt auch für die «verrückten», die gerne gut neu arbeiten möchten (zu denen ich mich selbst übrigens zähle ;-).
Sind wir nicht alle ein bisschen Bluna?
Bereits in der Serie „Drei Bücher von …“ vorgestellt:
Drei Bücher von … Marion
Drei Bücher von … Martin
Drei Bücher von … Franziska
Drei Bücher von … Gerhild
Drei Bücher von … Luca
Drei Bücher von … Sabine
Drei Bücher von … Christiane
Drei Bücher von … Nunni
Drei Bücher von … Dejan
Mehr Buchempfehlungen findet ihr auch noch hier in unserer Bücherliste.