»Future Workplace«
Mit der Corona-Krise wurde schlagartig ein Prozess noch einmal anders in Gang gesetzt, der seit Jahren vernachlässigt wurde – die Auseinandersetzung mit dem Thema Homeoffice. Plötzlich bemerkten Menschen, dass sie in einer angenehmen Wohfühl-Umgebung wie den eigenen vier Wänden viel besser arbeiten können, andere sehnten sich ins Büro zurück, das für sie der Raum für Austausch und effektives Arbeiten ist. Was uns die vergangenen Monate zeigten: Alles ist möglich.
Und damit kommt die Frage auf: Wie sieht unser Future Workplace aus? Dazu hat sich Susanne Busshart, die Teil unserer Les Enfants Terribles-Community und Expertin für Arbeitsräume ist, Gedanken gemacht und das Buch „Freiraum: Warum inspirierende Arbeitsplätze Mitarbeiter glücklich und Unternehmen erfolgreich macht.“ geschrieben.
Liebe Susanne, du verstehst dich als Expertin für Future Workplace und hast nun ein Buch geschrieben, das sich ganz explizit der Gestaltung von Arbeitsräumen widmet. Was war dein Impuls, darüber jetzt zu schreiben?
Räume nach innen und außen sind schon immer mein Herzensthema. Kommend aus der digitalen Transformation war es für mich immer wichtig, dass Talente an Bord sich wohl fühlen. Somit bin ich sehr schnell in den Bereich von New Work gerutscht und war ja ganz früh auch schon Mitglied der Enfants.
Ich hatte das Vergnügen, mich oft darum kümmern zu dürfen, dass Firmen die nächste Evolutionsstufe erreichen. Das geht nur mit New Work. Und innerhalb von New Work, wirklich einem großen Feld, nur mit neuen Räumen. Gutes Neues Arbeiten hat so wahnsinnig viele Facetten. Ich war schon immer ein Freund von Architektur und so fielen für mich vor einigen Jahren die Puzzlestücke zusammen.
Heute kann ich mich als Expertin um physische Räume kümmern. Das heißt: Wie müssen diese physischen Räume aussehen, damit Mitarbeiter glücklich und Unternehmen effizient sind. Genauso müssen aber auch die inneren Räume stimmen, die aber umgekehrt auch durch äußere Räume beeinflusst werden.
Wie geht das?
Meiner Meinung nach sollten Räume Schönheit ausstrahlen, so dass sich Menschen wohlfühlen, emotional sein dürfen und damit auch das Mindset stimmt. Es gibt einfach viel zu viele Mitarbeiter, die nicht gerne arbeiten. Ich finde das einen krassen Verlust an Lebenszeit und möchte das nicht akzeptieren. Nun ja, das Buch hat ein Jahr gebraucht, bis es soweit war. Wirklich geschrieben habe ich es in wenigen Wochen. Aber es gab so viele organisatorische Dinge zu erledigen. Aber jetzt ist es da – voilà.
Du bist sowohl Geschäftsführerin wie auch als Beraterin in anderen Unternehmen. Aus welcher Perspektive und welchen Erfahrungswerten näherst du dich dem Thema?
Mir ist es immer super wichtig, dass nicht nur über Dinge geredet wird, sondern dass sie auch umgesetzt werden. Das ist weiterhin mein Credo. Ich finde den Begriff Beratung echt ätzend. Ich möchte Begleiterin sein und als Macherin Dinge nach vorne bringen. Was die Perspektive betrifft, finde ich den interdisziplinären Ansatz immer wichtig. Aus verschiedenen Perspektiven auf ein Thema zu schauen ist meiner Meinung nach unumgänglich. Das versuche ich in alle meinen Raumprozessen zu verwirklichen. Und das macht viel Spaß!
Graue Aktenschränke und die Zimmerlinde oder Multispace-Angebote und die Kaffeebar: Wie sieht denn die Realität in deutschen Büros aus?
In den Recherchen zu meinem Buch kam ganz deutlich raus, dass das Schreck-Gespenster der meisten Mitarbeiter dunkelblauer, alter Teppichboden ist. Leider ist es wirklich die Realität, dass es noch viel zu viele Aktenschränke und Rollcontainer gibt. Die dummerweise fast nur mit Müll gefüllt sind. Eigentlich braucht das kein Mensch mehr, aber wir sind ja Gewohnheitstiere und halten an vielen Dingen fest. Ich finde es immer schade, wenn man mit viel zu vielen Möbeln ein schönes, offenes Konzept überlädt. Um deine Frage konkreter zu beantworten: Bisher gibt es meiner Meinung nach viel zu wenige Multispace-Angebote in den Unternehmen. Zum Thema Zimmerlinde: Traurig finde ich den Bereich der Pflanzen. Du weißt, ich bin großer Fan von Shinrin-Yoku (Anm. d. Red. „Waldbaden“). Erwiesenermaßen ist es so, dass Pflanzen, Grün und die Natur dafür sorgen, dass wir uns nicht nur wohlfühlen, sondern dass wirklich Stress gesenkt, unser Herzschlag korrigiert wird und, und, und.
Aber viele Menschen in Büros sind überfordert, sich um Pflanzen zu kümmern. Das ist schade, denn Pflanzen können so viel Gutes tun: Sie können nicht nur Sauerstoff spenden, sie können auch Schall schlucken und sie können uns Freude machen. Ein passendes Konzept dafür ist auf jeden Fall super positiv zu bewerten.
Wie sieht für dich der Future Workplace aus und welche Ansprüche muss er erfüllen?
Aktuell verändert sich unser Begriff von Arbeitsplatz sehr stark und sehr schnell. Auch Gesellschaft wird immer individueller. Ich arbeite gerade an Konzepten, die sehr zukunftsweisend sind und darin wird deutlich, dass Arbeitsplätze in Zukunft zu Nutzungsbereichen werden. Ich bin der Meinung, dass jeder das bekommen sollte, was er sich wünscht und was er braucht, um gut zu arbeiten. Für die, die sich schon länger mit guten Arbeitsräumen beschäftigt haben, ist Multispace schon fast ein alter Hut. Aber ich glaube, dass es ganz vielen Firmen gut tun wird, in Zukunft aktivitätsbasiert zu arbeiten.
Seit Corona hat sich Einiges verändert. Wir sprechen bisher immer von Konzentrations-, Kommunikations- und Kollaborationsbereichen. Jetzt wo Konzentration immer mehr ins Home-Office gewandert ist, werden Firmen die anderen Bereiche forcieren. Dies ist auch dringend nötig, da erwiesenermaßen Wissenstransfer, Innovationsgeschwindigkeit und auch unser Drang nach sozialen Kontakten, dies dringend erfordert. Außerdem lassen sich viele Mitarbeiter nur schwer zurück in die Firmen locken, da sie Angst haben, die Flexibilität schätzen gelernt haben und auch im Homme Office effizient waren. Äußerst spannende Zeiten, wie ich finde!
Du hast das Framework für Future Workplace – kurz FFF – konzipiert, das Unternehmen dabei helfen soll, auch mit etwas geringerem Budget und ohne externe Gestalter*innen Arbeitsräume angenehm zu gestalten. Kannst du uns etwas dazu erzählen?
FFF ist ein 360° Prozess, der dafür sorgt, dass man mit möglichst viel Perspektive auf das Thema Räume schaut. Es gibt fünf große Bausteine: Zunächst schaut man sich an, wie die Strategie des Unternehmens aussieht, denn diese bestimmt sehr stark die Räume. Die Unternehmenskultur als zweiter Bereich ist natürlich ein Haupttreiber im Raumprozess und sorgt dafür, dass die späteren Räume auch zu den Nutzern passen. Großes Herzstück ist für mich immer die Kommunikation.
60 Prozent jedes Changeprozesses, und nichts anderes ist ein Raumprozess, ist Kommunikation. Mitarbeiter müssen mit Infos versorgt, müssen mitgenommen und später muss auch vorgelebt werden, wie man die Räume nutzt. Der vierte Punkt, die ways-of-work haben sich in den letzten Jahren stark nach vorne entwickelt. Ganz klar, seit immer mehr nach agilen Methoden gearbeitet wird, müssen sich auch Räume daran anpassen. Und last but not least schaut man sich natürlich die Räume selbst an. Welche Meetings finden dort statt, welche Personen werden dort miteinander arbeiten, wie viele Mitarbeiter werden untergebracht, wie müssen Zonen und Laufwege aussehen und so weiter und sofort.
Wichtig finde ich, dass man dies wirklich als Prozess versteht. Ständige Interaktionen sorgen dafür, dass der Wandel, dem wir täglich unterworfen sind, auch ständige Berücksichtigung in den Räumen findet.
Und zum Schluss: Was sind deine drei Anregungen für den Future Workplace, den Teams selbständig und ohne großen Zeitaufwand selbst umsetzen können?
Meine 3 Lieblings-Work Hacks:
Ballast loswerden: Es ist unglaublich schön und fühlt sich gut an, wenn man alte Sachen loswerden kann. Mein Tipp ist, dass man in alten Rollcontainer, in oder auf dem (Schreib-)Tisch oder im Regal bestimmt Sachen findet, die weg können. Hier wirklich Mut zum Trennen haben…
Mach mal bunt: Vielen Büros fehlt heute das Herzblut. Die meisten Möbel sind schwarz oder weiß und allein die Post-its an der Wand machen es auch nicht viel besser. Probiert doch mal einen bunten Teppich aus oder hängt ein neues Bild an die Wand. Vielleicht habt Ihr auch Lust im Team gemeinsam etwas zu malen oder zu gestalten. Idee: Einfach nur ein paar Handabdrücke von euch mit bunter Fingerfarbe auf schwarzen Karton drücken. Sieht toll aus, stärkt das Teamgefühl und fördert die Kreativität.
Umsetzen ist gefragt: Ihr sitzt immer am gleichen Platz? Dabei ist es so spannend, die Perspektive zu ändern. Tauscht im Team einfach mal die Plätze. Und wenn ihr sowieso keine festen Plätze habt, dann versucht einmal auf dem Tisch oder unter dem Tisch zu arbeiten. Kein Scherz. Nur für ein paar Stunden kann das Wunder wirken. Und erhöht die Kommunikation. Viel Spaß! Und bleibt gesund.
Susanne Busshart ist Expertin für Culture Change und Digitale Transformation. Sie begleitet Unternehmen zu Change Management und New Work mit dem Ziel, diese in die nächste Evolutionsstufe zu heben. Sie ist Speakerin, Autorin und veröffentlicht regelmäßig Trends zu New Work. Ihr Herzensthema: „Räume nach innen und außen“.
Mehr Buchempfehlungen findet ihr auch noch hier in unserer Bücherliste.