»Radikalisiert euch!«

  • 18.12.2019
  • von christiane kuerschner
Hier geht es um Quantenwirtschaft, ein selbstbestimmtes Leben und um euch ...
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Im November ruft Europa den Klimanotstand aus. Im Sommer zuvor brannte der Amazonas-Regenwald, die internationalen Medien berichteten. Er brennt immer noch, auch wenn es keiner mitbekommt. Krieg und wirtschaftliche Ungleichheit, wieder auflodernder Rassismus, Terrorismus, ein unvorstellbares Sterben der Artenvielfalt und immer stärker werdende Gigakonzerne, die testen, wie weit sie mit KI kommen und die bereits Teile unseres Lebens bestimmen – das ist unsere Realität.

„I want you to panic“, forderte Greta Thunberg die Politiker und Unternehmer auf, die sich Anfang 2019 im Wirtschaftsforum Davos trafen und über Geschäfte sprachen, die auch für Milliarden Tonnen an CO2 verantwortlich sind.

„I don’t want your hope. I want you to panic. I want you to feel the fear I do. Every day. And want you to act. I want you to behave like our house is on fire. Because it is.“ (Greta Thunberg)

Wir müssten eigentlich alle in Panik geraten, denn, wie Greta Thunberg sagt, „our house is on fire“. Und während es an allen Ecken und Enden brennt, einigen sich die politischen Verantwortlichen auf der UN-Klimakonferenz auf minimalste Kompromisse. Es geht weiterhin um nationale Belange, Kleinstaaterei – es gleicht einem Bankrott, einer Aufgabe.

„Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun,
aber wenn wir dann in 50 Jahren feststellen würden,
dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir völlig ohne Grund dafür gesorgt,
dass man selbst in den Städten die Luft wieder atmen kann,
dass die Flüsse nicht mehr giftig sind,
dass Autos weder Krach machen noch stinken
und dass wir nicht mehr abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen.
Da würden wir uns schon ärgern.“ (Marc-Uwe Kling)

Dass womöglich das Ende der Menschheit zum Greifen nahe ist, erscheint vielen Menschen als ein völlig unvorstellbares Szenario. Es ist zu weit weg, ähnlich wie das Ende des Weltalls. Wenn wir versuchen so etwas zu denken, holt sich mit Wittgenstein gesprochen der Verstand Beulen. Vielleicht liegt es in der Natur des Menschen, deshalb mit Flucht zu reagieren. Flucht unter den Aluhut. Flucht in den Rassismus und in den Hass, in die Abwehr anderer Menschen (denen es noch viel, viel schlechter geht als uns) und in das Ignorieren aller neuen Ideen für eine bessere Welt.

Narzisstische Kränkung

Aber es gibt diese Ideen und wir müssen nun schnellsten damit beginnen, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, um die aktuelle Weltlage nicht als den Anfang vom Ende zu begreifen, sondern als einmalige Möglichkeit, eine bessere Welt zu erschaffen. Und der Jesus unserer neuen Welt ist schon da. Der norwegische Philosoph Anders Indset wird als Digital Jesus gefeiert. Er schenkt uns in seinem Buch „Quantenwirtschaft“ die Idee von einer Welt, die ihre Probleme in den Griff bekommt. Aber erst einmal kommt das Worst Case Szenario und die Panik. Er zeigt auf, wie unsere Gesellschaft in nur wenigen Jahren aussehen könnte.

„In zehn Jahren werden Roboter mit übermenschlicher Intelligenz unseren Alltag beherrschen. Wir werden nicht länger die intelligenteste Spezies auf diesem Planeten sein.“ (Anders Indset)

Wer sich mit der aktuellen KI-Forschung auseinandersetzt, der weiß, dass Indset da nicht so danebenliegt. Lernen wir jetzt nicht, die Grenzen der KI zu bestimmen, sieht Indset eine Herrschaft der Roboter, in der fehlbare Kreaturen wie Menschen überflüssig werden. Für Indset ist das die letzte „narzisstische Kränkung“ – der Beginn einer posthumanen Welt.

Aber wie anders machen? Das Weltgeschehen ist so komplex, die Informationsdichte so hoch und die Probleme so vielfältig, dass es schwer erscheint, aus diesem Geschehen herauszutreten, die Situation von außen und objektiv zu bewerten, um die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen. Wir sind mit unserer limitierten Lebenszeit so sehr an die aktuellen Systeme gewöhnt, dass es schwer ist, sich vorzustellen, wie es anders sein könnte – nicht als ferne Utopie, sondern schon bald. Dem Weltuntergangsszenario setzt Indset in seinem Buch in rascher Folge Ideen entgegen. Die sind nur grob skizziert, machen aber den Raum der Möglichkeiten groß: Wir brauchen im Zuge einer „Metropolisierung“ Bürgermeister, die echte Handlungsmacht haben. Die Projekte mit Bürgern umsetzen können, die das Leben der Menschen vor Ort besser machen. Indset sieht das Zeitalter der Frauen gekommen, denn „Frauen sind gerade für die Führungspositionen des 21. Jahrhunderts herausragend qualifiziert. Aufgrund ihrer Gehirnstruktur sind sie deutlich besser als Männer imstande, emphatisch, teamorientiert und selbstbeherrscht zu führen“, sagt er.

New World Order

Indset wagt in seinem Buch viel. Er fordert uns auf, das Unvorstellbare zu denken und dann zu handeln.

„Wo ist die Bastille unserer Zeit, und wo sind die Systemzertrümmerer, die sie erstürmen werden?“ (Anders Indset)

Sie sitzen auf jeden Fall nicht in der deutschen Politik. Viele junge Menschen gehen jeden Freitag auf die Straße, um für ihre Zukunft zu kämpfen. Die Regierung reagierte zuletzt – das muss man erstmal loben – mit einem Klima-Paket. Aber die Wirtschaft schreit auf, Experten gehen die Maßnahmen nicht weit genug. Woran liegt diese Dissonanz? Unsere führenden Politiker sind weitgehend Menschen gehobenen Alters, die sich entweder denken Nach mir die Sintflut oder tatsächlich nicht davon ausgehen, dass der Worst Case eintritt. Oder sie sind tatsächlich so arrogant und haben ihren privaten Plan B. Und warum schreit die Wirtschaft auf? Sie hat Angst vor finanziellen Verlusten. Sie sollte aber vor ganz anderen Dingen Angst haben. Unser aktuelles Wirtschaftssystem ist am Ende. Es braucht etwas Neues. (LINK IN RESET ECONOMY) Indset weiß, dass das nicht die Aussteiger sein können, die auf Selbstversorger machen und zwei Mal am Tag meditieren. Es braucht eine New World Order, eine neue Wirtschaft. Indset nennt sie Quantenwirtschaft.

„Quantenwirtschaft basiert auf der Erkenntnis, dass alles mit allem zusammenhängt: Wir müssen lernen, Ökonomie, Gesellschaft und Ökologie ganzheitlich zu betrachten.“ (Anders Indset)

Der Philosoph umreißt dieses neue Wirtschaftssystem, das auf einer Gesellschaft des Verstandes beruht, nur sehr grob.

„Noch herrscht lineares Denken – nur was wir berechnen können, gilt als real und werthaltig. Die Quantenwirtschaft dagegen beruht auf der Einsicht, dass die Welt nicht linear ist und nicht aus unverbundenen Teilchen besteht, sondern alles mit allem zusammenhängt. Und dass die materiellen Ressourcen zwar begrenzt sind, die Welt als Ganzes aber unendlich.“ (Anders Indset)

Und trotzdem sind ein paar seiner Visionen schon zu erkennen. Da wäre die langsam entstehende Kreislaufwirtschaft, die verantwortungsbewusst mit unseren Rohstoffen umgeht. Da sind viele, viele Menschen, die darüber nachdenken, was der Konsum mit ihnen macht und was es für ein gutes Leben wirklich, wirklich braucht. Es gibt Menschen, die sinnvoll arbeiten möchten und nicht mehr bei Unternehmen in Lohn und Brot stehen möchten, die unsere Umwelt zerstören und die ihr Konto bei einer Bank haben, die das Geld nicht in Kriegswaffen investiert. Es gibt Menschen, die Weißdorn, Borretsch und Akelei anpflanzen – nicht weil es schön aussieht, sondern um in ihrer begrenzten Lebenswirklichkeit etwas Gutes für Flora und Fauna zu tun. Da sind Menschen, die an den Plastikwasserflaschen vorbeigehen, um zum Glas zu greifen. Und in vielen Köpfen kommt mittlerweile regelmäßig die Frage auf, wie das T-Shirt für zwei Euro die indische Näherin ernähren und gleichzeitig etwas für die Produzenten und Lieferanten abwerfen soll. Wir sind mitten im Wandel, wir müssen jetzt nur die Nerven behalten und laut werden.

Lasst es uns tun!

Seit gefühlt tausend Jahren wird über das bedingungslose Grundeinkommen gestritten. Und wer meckert wieder, dass das nicht geht? Die Wirtschaft. Indset sieht das bedingungslose Grundeinkommen als gesetzt, es ist die Voraussetzung in einer Welt, in der Roboter viele Tätigkeiten übernehmen. Genauso notwendig ist, das Unternehmen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ethisch denken. Die Betriebe arbeiten in Zukunft für das Wohl der Menschen, nicht, um Konsumenten das letzte Geld aus der Tasche zu ziehen und die Gewinne zu maximieren.

„In der Quantenwirtschaft kooperieren die Unternehmen über Branchengrenzen hinweg und stehen in Interdependenz mit den Nutzern. (..) Peer-to-Peer-Ausleihen, Crowdfunding. Couchsurfing, Coworking, Carsharing, Knowledge-and-Talent-Sharing – die Liste der neuen Modelle und Anwendungen wird immer länger.“ (Anders Indset)

Es ist (fast) alles schon da. Es fehlt an Mut. Aber „die Quantenwirtschaft braucht Gestalter des Wandels, die es verstehen, Vertrauen zu leben und Teams zu formen, basierend auf grundlegenden Werten und philosophischen Einsichten, die umfassender sind als das Unternehmen oder Teile der Organisation“, so Indset.

Wir müssen raus aus unserem System, es ist uns zu klein geworden. Denkt nicht mehr in Klein-Klein, sondern wagt Großes zu denken. Wir können jetzt nicht alle unsere Jobs aufgeben und in die Politik gehen. Das ist auch nicht das Ziel. In der Quantenwirtschaft, die laut Indset ihrer Idee nach aus vielen Teilchen besteht, die tun und lassen, was sie wollen, ist vieles der Sache nach unbestimmt. Aber gerade das ist die unbegreifliche Chance: Wir können jetzt etwas tun, in unserem eigene Leben, in unserem eigenen Umfeld. Es wird im großen Ganzen wirken, nur Mut! Sagt auch Indset:

„Jeder Mensch hat einen viel größeren Einfluss auf seine Karriere, seinen Lebensweg, seine Persönlichkeitsentwicklung, seine Gefühle und Stimmungen, als den meisten von uns bewusst ist.“

Meine eigene Strategie ist es, mich in Momenten der Entscheidung immer zu fragen: Wenn meine Kinder mich in zehn, zwanzig Jahren fragen, warum ich so gehandelt haben, wie ich es tat, habe ich dann eine gute Erklärung, für die ich mich nicht schämen muss?

Und so offen gedacht seine Quantenwirtschaft ist, so nett ist es, dass Anders Indset uns doch ein paar praktische Tipps an die Hand gibt:

  1. Lies! Indset nennt Platon, Hegel und Husserl.
  2. Lerne zu unterscheiden, was authentisch und was Fake ist. Das beginnt bei Instagram und endet in den Wirtschaftsnachrichten.
  3. Lerne lebenslang!
  4. Sei offen dafür, deine Meinung zu ändern, wenn die Argumente dafür sprechen.
  5. Lerne zu meditieren!

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