»Schule des Leben«
Philosophie alltagstauglich machen, ohne dass sie an Sinnhaftigkeit verliert – eines der Ziele der School of Life. Wir sprachen mit Dr. Martin Ebeling, Leiter des Business-Programmes, über die Rolle der Philosophie in unserer Gegenwart.
Lieber Martin, wie war es bei dir: Bist auch du, wie viele andere Philosophie-Studierende, mit dem Anspruch in den Hörsaal getreten, nun doch endlich zu erfahren, was die Welt, im Innersten zusammenhält?
Ich dachte damals in der Tat, dass es beim Philosophieren um die Wahrheitssuche geht, allerdings habe ich nicht nach allumfassenden Erklärungsmodellen im Bereich der Esoterik gesucht. Manch andere, die das taten, haben nach den ersten Semestern das Studium enttäuscht abgebrochen. Angezogen haben mich stattdessen die Philosophie des Geistes mit dem Projekt, unser Bewusstsein zu verstehen, die politische Philosophie und Ethik.
Im Laufe meiner akademischen Karriere habe ich enttäuscht festgestellt, dass es in der Philosophie – wie in anderen Disziplinen ja auch – nicht nur um die Wahrheitssuche geht, sondern auch um das Rechthaben, das Verteidigen der eigenen Theorie und letztlich auch um Karrierewege. Da war der naive Student in mir enttäuscht, auch wenn ich das Spiel noch eine Weile mitgespielt habe.
Philosophie ist eine der wenigen akademischen Disziplinen, die alle Menschen anspricht. Jeder möchte gern wissen, wie das gute Leben funktioniert, was das Wesen aller Dinge ist und wie das nun mit dem Geist in der Maschine gemeint ist. Nur beantwortet ein Philosophie-Studium diese Fragen meist nicht. Kann man sagen, dass die Angebot von der School of Life diese Lücken schließen möchte?
Die Einsichten, die man mit Hilfe der Philosophie erreichen kann, sind nicht Aussagen von der Art „So und so ist die Welt.“ Es geht er darum festzustellen, „Was folgt daraus, wenn wir annehmen, dass die Welt so und so ist.“ Es geht weniger um Sicherheit als um eine Orientierung im Denken und gerade das ist natürlich ein unglaublich wertvoller und ansprechender Beitrag. Auf das Leben angewendet bleibt das aber eben manchmal hinter den Erwartungen zurück.
The School of Life hilft, die Methoden der Philosophie und die Erkenntnisse der Psychologie ganz konkret für das Leben anwendbar zu machen. Da verstehen wir zum Beispiel plötzlich, wie die Stoiker uns lehren, mit Rückschlägen umzugehen, wie wir unser emotionales Erbe verstehen können und welche emotionalen Muster uns Beziehungen schwermachen.
Die School of Life in Berlin wurde 2016 gegründet. Warst du von Beginn an dabei und was macht für dich den Reiz an diesem Konzept aus?
The School of Life gibt es schon etwas länger. Sie wurde bereits 2008 in London von dem Philosophen und Bestseller-Autor Alain de Botton gegründet. Seitdem hat sie ihre Klassenzimmer auf der ganzen Welt ausgebreitet von Taiwan bis Brasilien. 2016 hat Thomas Biller dann die School of Life auch nach Deutschland geholt. Ich bin ein Jahr später dazu gekommen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eine längere Reise hinter mir, die mich immer wieder von der akademischen Philosophie zu anderen Projekten (Vereinte Nationen, Europäisches Parlament, Entwicklungszusammenarbeit) und zurück zur Philosophie geführt hat. The School of Life ist für mich heute der perfekte Ort um meine Interessen Philosophie, Psychologie, Neurowissenschaften, Kunst und Kultur mit einem Beitrag zu einer besseren Welt zu verbinden. Im Endeffekt geht es uns ja darum, von all dem zu lernen und Menschen zu helfen, einen erfüllenden Weg durch das Leben zu finden im Einklang mit sich und ihren Mitmenschen.
Kannst du uns etwas zu der Bandbreite der Angebot der Berliner School of Life erzählen?
Es gibt ein öffentliches Programm mit einem Curriculum von 12 Classes, die man weltweit an allen Standorten besuchen kann. Da geht es um Selbsterkenntnis, den Sinn des Lebens, wie Beziehungen gelingen können und welche Karrierewege zu mir passen und vieles mehr. Dazu kommt viel eigener Content, den wir in Berlin entwickeln und unsere Dozent*innen einbringen. Aus diesem öffentlichen Angebot hat sich schnell die Nachfrage entwickelt, diese emotionalen Kompetenzen auch in Unternehmen zu trainieren. Denn, wie Alain de Botton gerne sagt, es gibt eigentlich keinen Unterschied zwischen den Konflikten in der Vorstandsetage und denen im Schlafzimmer.
Es sind dieselben emotionalen Muster, die uns das Zusammenleben und das gemeinsame Arbeiten manchmal schwermachen. Das Business-Programm der School of Life umfasst heute 20 Workshops zu verschiedenen Anwendungsbereichen emotionaler Intelligenz. Aus denen konzipieren wir Learning Journeys, die eine emotional intelligente Führungskultur möglich machen, die emotionalen Kompetenzen für produktives Teamwork vermitteln, ein agiles Mindset trainieren und eine echte Innovationskultur in Unternehmen unterstützen.
Welche Menschen suchen euch auf und mit welchen Fragen werdet ihr konfrontiert?
Das kommt ganz auf die Classes und Formate an. Es gibt insgesamt sicher etwas mehr Frauen als Männer die zu uns kommen. Frauen vielleicht haben eher die Lebensklugheit, sich mit ihren Emotionen zu beschäftigen. Männer müssen das gerade in unserer Gesellschaft oft erst noch lernen. Aber die Bandbreite an Menschen, die zu uns kommen, macht die School of Life auch zu einem so tollen Ort für neue Begegnungen. Wir lernen ja vor allem auch dadurch, dass wir hören, wie andere mit dem Leben zurechtkommen und nicht, weil wir dieses Wissen gepachtet haben.
Wir geben Denkanstöße zu einem gelingenden Leben, verpackt in Übungen, die uns mit uns selbst und anderen in tiefen Kontakt bringen. Es geht also einerseits darum, Antworten auf die Frage nach dem guten Leben zu finden, und andererseits darum, die Erfahrung zu machen, was wir alles mit anderen teilen. Das schafft Erkenntnis und Verbundenheit.
Wenn wir auf die Unternehmen schauen, sehen wir eine große Bandbreite. Wir arbeiten mit großen Konzernen wir Airbus, Bosch oder Daimler zusammen, die verstanden haben, das Innovationskraft und Potenzialentfaltung sehr stark mit angewandter emotionaler Intelligenz verknüpft sind. Gleichzeitig arbeiten wir mit Startups, die von Anfang an anders über Zusammenarbeit nachdenken, mit Beratungsfirmen und Agenturen – es ist ein bunter Mix, der widerspiegelt, dass unsere Themen alle Menschen und Unternehmen etwas angehen.
Lässt sich sagen, dass einige Philosophen den Weg aus dem berühmten Elfenbeinturm gefunden haben und die School of Life einen Raum für eine moderne Art des Philosophierens anbietet, der alle dazu einlädt, teilzuhaben?
Das kann man sicher so sagen. Ich glaube aber auch, dass der Elfenbeinturm eine Berechtigung in unserer Gesellschaft hat. Philosophie ist sehr kompliziert, wenn es ins Detail geht. Das sollte man auch respektieren. Es geht vielmehr darum, hier eine Übersetzung in den Alltag anzubieten, Philosophie dadurch mehr Menschen zugänglich zu machen und Teilhabe zu ermöglichen. Dazu leisten wir einen Beitrag.
Was denkst du: Wird die Philosophie gerade jetzt, in Zeiten von großer Unsicherheit und eines umfassenden Wandels von Werten und Normen, ihre nächste Blütezeit haben?
Wir können diesen Trend an vielen sogenannten „Elite-Universitäten” schon beobachten. Immer mehr Menschen, die sich früher nicht aus der Business School herausbewegt hätten, sitzen heute in Philosophieseminaren, um sich eine Kompetenz im Umgang mit Unsicherheit und Komplexität anzueignen. Die Philosophie hat da unglaublich viel zu bieten, man lernt das Denken einfach nochmal neu. Wenn es z. B. um Werte und Normen geht, können wir lernen, mit verschiedenen Linsen auf die Welt zu blicken, die erstmal gleichwertig nebeneinander stehen. Gleichzeitig dürfen wir uns von ihr keine endgültigen Antworten erwarten.
Eine letzte Frage: Was kann Philosophie im Leben jedes einzelnen Menschen bewirken?
Es gehört zur Freiheit des Menschen, die Antwort auf die Frage nach dem guten Leben selbst finden zu müssen. Die Philosophie kann den Raum dramatisch erweitern, in dem wir nach Antworten suchen. Sie kann uns lehren, welche Form eine gute Antwort haben sollte. Und sie kann uns Trost spenden, wenn uns das Leben trotzdem nicht immer so gelingt, wie wir es uns wünschen.
Dr. Martin Ebeling ist Philosoph und leitet das Business-Programm von The School of Life Berlin. Er engagiert sich als Trainer, Facilitator und Speaker. Als Philosoph glaubt er, dass wir den notwendigen Wandel nur gestalten können, wenn wir Arbeit neu denken und bezeichnet sich deshalb auch gerne als Instigator of Ideas.
Die School of Life Berlin findet ihr in der Lychener Str. 7, 10437 Berlin. Dort findet ihr auch eine feine Auswahl der School of Life-Bücher (Last-Minute-Weihnachtsgeschenk!!!).
Eine Anmerkung zu unseren Buchempfehlungen: wir sind sehr dafür, dass Bücher beim kleinen Buchladen um die Ecke oder auch bei Shops wie Buch7 (die mit 75% ihres Gewinns soziale Projekte unterstützen) gekauft werden. Wir benutzen hier aus praktischen Gründen Links zum Amazon-Shop, weil wir dann u.a. die Buchtitel im Rahmen des Partnerprogramms zeigen dürfen. Das heisst noch nicht, dass Ihr darüber auch bestellen müsst, aber wenn Ihr das tut, verwenden wir die Einnahmen daraus (5% auf jede Bestellung) für die Community-Arbeit von LES ENFANTS TERRIBLES.