»social business«

  • 22.09.2021
  • von christiane kuerschner
Wir sprechen mit Anna Papadopoulos über äthiopisches Textilhandwerk, kollaborative Bildungsplattformen und die wunderbare Fähigkeit, sich mit eigener Arbeit sozial zu engagieren ...
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Anna Papadopoulos ist ein Enfant Terrible und Tausendsassa. Sie hat ihre Finger in vielen tollen Projekten und scheint immer auf der Suche nach dem nächsten zu sein. Wir sprachen mit ihr über ihre Unternehmungen und ihren Antrieb, mit guter Arbeit auch Gutes stiften zu wollen.

Liebe Anna, du hast Welana mitgegründet, du bist Partnerin von Mandalah und 2020 hast du die Bildungsplattform edusiia gegründet. Was verbindet diese ganzen “Projekte”? Steckt ein Konzept, vielleicht eine Art Arbeitsethos hinter diesen vielfältigen Aufgaben, die du dir suchst?

Obwohl ich auf ganz unterschiedliche Weise zu meinen Projekten, bzw. Unternehmen gekommen bin, findet sich die Verbindung der drei in meinem persönlichen Antrieb:

„Ich möchte beweisen, dass man gleichzeitig Gutes bewirken und wirtschaftlich erfolgreich sein kann.“

Schon früh in meinem Bachelor in Business Administration habe ich festgestellt, dass der Fokus auf Gewinnmaximierung für mich zu kurz griff. Unternehmen haben eine ungeheure Macht und aus meiner Sicht somit auch eine ebenso große gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Ich sehe mit großer Freude, dass diese Meinung von immer mehr Wirtschaftsakteur*innen geteilt wird und die Unternehmenswelt begonnen hat, sich in eine wirkungsvollere Richtung zu bewegen. 

Neben dieser gemeinsamen inhaltlichen Grundlage von der Innovationsberatung Mandalah, dem fairen Textilunternehmen Welana und der Bildungsplattform edusiia liegt eine weitere Verbindung in den Menschen, die sich um diese Themen versammelt haben. Ich treibe diese Projekte voran, weil ich konzeptionell an sie glaube und weil ich Partner*innen gefunden habe, die durch ihr Können und Wollen Großes bewirken. Diese Kollaborationen fordern mich persönlich heraus, geben mir unheimlich viel Energie und Motivation und lassen Ergebnisse entstehen, auf die ich wirklich stolz bin. 

Würdest du sagen, dass du “nur” Projekte zu Themen startest, bei denen du gesellschaftliche Herausforderungen siehst? 

Ja, definitiv. Ich möchte einen positiven Unterschied machen und meine Kraft, mein Können und mein Wissen auf Themen richten, die das Leben von Menschen verbessern – aktuell in der Bildung und im Modebereich. 

Lass uns erstmal zu Welana sprechen. Wie kam es zur Gründung von Welana? Und was macht Welana genau?

Die Idee zu Welana entstand gemeinsam mit meiner engsten Freundin Welella Negussie, deren Eltern aus Äthiopien stammen. Wir kennen uns seit unserem zehnten Lebensjahr und sind durch Welellas Familie praktisch mit der äthiopischen Kultur aufgewachsen. Unsere Begeisterung und Faszination dem Land gegenüber wurde noch verstärkt, als wir Äthiopien 2014 gemeinsam bereisten. Damals beschlossen wir, dass mehr Menschen das Land zu Gesicht bekommen sollten, das wir wahrnahmen.

Unser Ansatz: Handgewebte Textilien, die mit traditionellen Webtechniken hergestellt werden und Muster enthalten, die typisch für die äthiopische Kultur sind. Wir gründeten also Welana, ein soziales Unternehmen, das handgefertigte, qualitativ hochwertige Schals, Hamamtücher und Decken von außergewöhnlichen Weber*innen aus Äthiopien vertreibt. 

Was ist das Besondere an den Produkten bzw. im Herstellungsprozess?

Uns ist ein fairer Produktionsprozess besonders wichtig – wir kennen die Produktionsstätten persönlich. Die Welana-Mode wird in liebevoller Handarbeit hergestellt, alle unsere Textilien sind Einzelstücke. Unsere Produktion, die durch zwei lokale Partnerunternehmen übernommen wird, umfasst vom Spinnen des Garns bis zum Färben der Stoffe intensive und filigrane Handwerkskunst.

Die Weber*innen nutzen typisch äthiopische Farben und Muster sowie sorgfältig ausgewählte Materialien – Baumwolle, die zu 100 % aus dem Land selbst kommt und Eri-Seide, die direkt auf dem Grundstück unseres Partners Sabahar entsteht.

Was sind die Ziele, die ihr mit Welana verfolgt?

Unser zentrales Anliegen ist es, lokale Communities in Äthiopien zu stärken. Gemeinsam mit unseren äthiopischen Partnern verfolgen wir dieses Ziel durch nachhaltige Einkommensentwicklung und Zugänge zu Bildung. Zudem wollen wir dafür sorgen, dass deutlich mehr Menschen auf der Welt von den Besonderheiten und Vorteilen ihres Handwerks erfahren.

Aktuell machen wir das mit unserem Online-Shop, über den wir die Welana-Mode in der ganzen Welt vertreiben und so die Geschichte Äthiopiens erzählen. Langfristig schweben uns noch weitere Partnerschaften und andere Wege vor, um diese Ziele zu erreichen.

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Kann man der Herausforderung, ein möglichst soziales Unternehmen zu führen, überhaupt gerecht werden? Habt ihr also tatsächlich den kompletten Prozess im Blick, um dafür einstehen zu können, dass alles fair läuft?

Wir streben einen ganzheitlichen Geschäftsansatz an. Dazu gehört die faire Behandlung aller beteiligten Akteur*innen genauso wie der bewusste Umgang mit den verwendeten Ressourcen. Vom CO2-neutralen Versand und recycelten Verpackungen bis zu unserem eigenen Reuse- und Recycle-Programm: Wir möchten, dass unsere Produkte in einem Kreislauf bleiben und ermöglichen unseren Kund*innen, beschädigte Ware zurückzugeben, die von unserem Berliner Upcycling-Partner schmidttakahashi in neue Produkte verarbeitet wird.

Ansätze sozial und ökologisch zu handeln gibt es genügend, sie umzusetzen hängt jedoch von vielfältigen Faktoren ab. Es ist unser Bestreben, uns stetig selbst herauszufordern und zu verbessern und unseren Beitrag dazu zu leisten, dass sich andere Unternehmen inspiriert fühlen, ihre eigenen Zugänge zu nachhaltigem Wirtschaften zu finden. 

Du warst ja mit deiner neuen Lernplattform edusiia auch Teil unseres GOOD ENFANTS TERRIBLES-Tages zum Thema “Gute neue Schule”. Was macht ihr dort genau? Und was ist vielleicht anders im Vergleich zu anderen Plattformen?

edusiia ist die Online-Community für Bildung. Wir verbinden Menschen und Organisationen aus dem gesamten Bildungsbereich – und zwar interdisziplinär: Von Schulen über Universitäten, Stiftungen und Verbänden bis hin zu Start-ups und Unternehmen, die in diesem Feld aktiv sind. Damit wollen wir erreichen, dass die richtigen Akteur*innen zueinander finden, ihre guten Ideen und Ansätze austauschen können und damit insgesamt einen positiven Beitrag für bessere Bildung leisten.

Unsere Vision: Langfristig wollen wir mit edusiia nicht nur in Deutschland, sondern weltweit für mehr Vernetzung und produktive Diskussionen im Bildungsbereich sorgen. 

Die vier Besonderheiten von edusiia:

  1. edusiia ist die erste produktive Online-Community, die komplett auf Bildungsakteur*innen zugeschnitten ist
  2. edusiia ermöglicht langfristige Vernetzung sowie produktive Zusammenarbeit und unterstützt die Community aktiv
  3. edusiia ist eine deutsche, DSGVO-konforme Plattform, die hohe Datenschutzstandards erfüllt
  4. edusiia ist die erste Plattform, die die Akteur*innen, Themen und Probleme der deutschen Bildungslandschaft in Echtzeit erfasst.

Aktuell läuft noch ein Prototyp von edusiia, im Frühjahr 2022 wird unsere neue Plattform online gehen. Wir freuen uns schon sehr darauf!

Warum ist “Lernen” so wichtig?

Um gesunde Menschen auf einem gesunden Planeten zu sein, müssen wir uns entwickeln. Die Grundlage für Entwicklung ist Lernen – und dieses Lernen bezieht sich nicht nur auf die Kindheit, also Eltern, Kitas und Schulen, sondern begleitet uns unser ganzes Leben.

Es gilt, die kindliche Experimentierfreude, Offenheit für Neues und Neugierde zu bewahren und immer wieder daraus zu schöpfen. Wenn uns das gelingt, sehe ich unserer Zukunft positiv entgegen – denn dann können wir selbst die größten Herausforderungen und Krisen meistern.

Wie sieht für dich das “Lernen der Zukunft” aus? Welche Kompetenzen werden wir brauchen, wie werden wir lernen?

Schon heute gehört es zu den wichtigsten Kompetenzen, zu wissen, wie ich an neue Informationen gelange, sie verarbeite und anwendbar mache. In Zukunft wird es aus meiner Sicht immer relevanter, Räume dafür zu schaffen und den richtigen Rahmen zu geben, um das besser, wirkungsvoller und individueller zu gestalten.

Ein Beispiel: Lehrende werden eher Begleiter*innen als die Personen, die ihren Schüler*innen Wissen vorgeben. Die Lehre entwickelt sich stärker zu einem Miteinander und einem partnerschaftlichen Modell, das die Stärken der Lernenden in den Vordergrund zu stellt. 

Im Unternehmenskontext zeichnet sich seit Längerem ab, dass wir nicht mehr das ganze Leben lang dieselbe berufliche Rolle einnehmen. Wir entwickeln uns weiter und entdecken neue Fähigkeiten. Für die Zukunft des Lernens wird noch mehr gelten:

Wir sind alle Lernende und Lehrende zugleich – erste Indizien dafür finden sich beispielsweise in Programmen, in denen jüngeren Kolleg*innen erfahrene Manager*innen als Sparringpartner*innen dienen.

Was wäre ein Lernthema für dich, bei dem du sagst, das würdest du gerne noch angehen?

Da fallen mir tatsächlich einige Bereiche ein! Nur ein Beispiel: Ich würde mich gerne in handwerkliche Arbeit vertiefen und lernen, Möbel selbst zu fertigen. Im Alltag arbeite ich hauptsächlich konzeptionell und verbringe viel Zeit am Bildschirm und in Meetings.

Ich kann mir gut vorstellen, dass das direkte Feedback haptischer Arbeit – steht mein gerade selbst gebauter Stuhl oder nicht? – da manchmal sehr bereichernd wäre. Und ich glaube, dass eine solche Arbeit auch meine geistigen Tätigkeiten unterstützen würde.

Hast du zum Abschluss drei Tipps für Leser*innen, die selbst die Idee haben, ein Social Business zu starten, aber noch nicht wissen, wo sie beginnen sollen? Oder vielleicht hast du überhaupt Tipps, um gut selbständig zu arbeiten.

Man braucht aus meiner Sicht sowohl große persönliche Motivation und Energie für das eigene Projekt, als auch die Fähigkeit, strukturiert und fokussiert zu arbeiten. Das heißt konkret:

„Es ist großartig, für seine Idee zu brennen, man braucht aber auch eine Strategie und einen klaren Business Case.“ 

Ein ganz wichtiger Schritt am Anfang: Man muss herausfinden, ob es den Bedarf, den man vermutet, tatsächlich gibt. Man sollte keine Scheu haben, auf Menschen und auf Organisationen zuzugehen und das herauszufinden und mehr über den Bereich zu lernen. Wenn es diesen Bedarf tatsächlich gibt, lohnt es sich sehr, nicht isoliert zu arbeiten, sondern sich Mitstreiter*innen und Partner*innen zu suchen. Gute Netzwerke sind meiner Erfahrung nach essentiell – nicht nur am Anfang, sondern während der gesamten Gründungsphase und darüber hinaus.

Egal, ob es sich um ein Social Business oder ein anderes Projekt handelt: Gründer*innen brauchen Mut und müssen dazu bereit sein, mit Rückschlägen und Zurückweisungen umzugehen – auch ich habe das immer wieder erlebt und muss mich darin üben, immer wieder neu zu bestärken und daraus zu lernen. Das gelingt mir am besten mit den Menschen, mit denen ich zusammenarbeite.


Anna bezeichnet sich als kreative Interventionistin. Sie ist Co-Gründerin von edusiia und Welana, einem Sozialunternehmen, das handgewebte Fair Trade Produkte aus Äthiopien vertreibt.

Außerdem leitet sie das Berliner Team der Innovationsbegleiter von Mandalah und ist – last but not least! – leidenschaftliche Mama von Jasper, Nele und Ella. 

Hier hatten wir bereits mit ihr über edusiia gesprochen.

 

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