»soziale permakultur«

  • 21.04.2021
  • von christiane kuerschner
Eva Ebenhöh spricht mit uns über soziale Permakultur, die Menschen, Orte und Momente in Beziehung setzt ...
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“Das ist ja Systemtheorie pur!“, hat meine Kollegin Marion gesagt, als sie einen Blick in ein permakulturelles Buch zum Gärtnern geworfen hat. Ja, wohl war. Kein Wunder, dass die Permakultur und ihre Prinzipien oft für Menschen interessant sind, die etwas bewirken und verändern möchten. In unserer Permakultur-Serie möchten wir euch für die Permakultur begeistern. Im ersten Teil haben wir die Grundlagen der Permakultur diskutiert und hier sprechen wir nun mit Eva Ebenhöh, die uns die soziale Permakultur näherbringt. Kleiner Spoiler: Es wird wieder systemisch.

Liebe Eva, kannst du uns etwas zu deinem Arbeitsschwerpunkt erzählen?

Ich arbeite als Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg, gebe Workshops und Einzelbegleitungen, werde aber auch für Gruppenmoderation und Konfliktklärungen angefragt. Ziel der Gewaltfreien Kommunikation ist die Verbindung zwischen Menschen zu erleichtern oder zu vertiefen, bzw. wiederherzustellen, wenn sie durch Konflikte gelitten hat.

Wie bist du zum Thema soziale Permakultur gekommen? Über den gärtnerischen oder den sozialen Aspekt?

Über den sozialen Aspekt. Als ich das erste Mal von „sozialer Permakultur“ gehört habe, war ich bereits Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation und hatte mich auch mit konsensorientierten Entscheidungsverfahren, Soziokratie, Holokratie und Ähnlichem beschäftigt. Ich dachte, Soziale Permakultur wäre ein weiteres solches Werkzeug. Stattdessen habe ich den Werkzeugkasten gefunden, in dem die anderen Methoden gut einsortiert werden können.

Wie würdest du soziale Permakultur definieren? Gibt es Grundsätze?

Die Grundsätze oder Prinzipien sind die gleichen wie bei der „Garten-Permakultur“ auch. Wenn ich einen Garten betrachte und nur die Pflanzen einzeln sehe, wird es kein Permakultur-Design. Wenn ich nur die Menschen einzeln sehe, wird es auch keine soziale Permakultur.

Permakultur entfaltet sich in den Beziehungen zwischen den Elementen.

Als Grundsatz für soziale Permakultur möchte ich formulieren, dass es darum geht, Menschen in Beziehung und Verbindung zu sehen, in Verbindung zu anderen Menschen, aber auch in Beziehung zu anderen Systemelementen, wie Gebäuden oder Vereinbarungen oder ähnlichem. Wie einladend ist ein Meeting? Wo und warum entsteht eine Störung durch Ungesagtes? Welche impliziten und expliziten Regeln beeinflussen das Verhalten der beteiligten Menschen?

Es geht also darum, das menschliche Miteinander und die Einbeziehung von Menschen in natürliche Systeme nicht zu vereinfacht, sondern komplex systemisch zu betrachten, zu verstehen und dann auch so zu gestalten, dass es zu einem gut funktionierenden Miteinander führt.

Im Grunde ist jede Permakultur soziale Permakultur, wenn im Designprozess auch die Auswirkungen auf Menschen und soziale Systeme mit bedacht wird. Wenn ich mein eigenes Gemüse anbaue, hat das einen Effekt auf mein Konsumverhalten, weil ich weniger Gemüse im Supermarkt kaufe und eine größere Wertschätzung für diese Lebensmittel entwickele. So hat die gärtnerische Tätigkeit einen sozialen Effekt. Ich finde es schwierig, da eine klare Trennung zu machen.

Sind die sozialen Aspekte der Permakultur auch ein konkreter Teil der Permakultur-Ausbildung oder gehören sie einfach als Basis für das Arbeiten mit der Permakultur dazu?

Soziale Aspekte sind eine Basis für das Arbeiten mit Permakultur. Selbst wenn ich einen Garten für eine einzelne Person gestalte, geht es darum, wie diese Person mit ihrem Garten in Beziehung kommt. Viele Aspekte von sozialer Permakultur sind wichtige Bestandteile, zum Beispiel die Gestaltung des eigenen Lebens oder der eigenen Selbständigkeit mit Permakulturprinzipien zu betrachten.

Ich selbst bin besonders daran interessiert, wie Gruppen gut miteinander funktionieren können. Das ist natürlich schon ein spezieller Aspekt der sozialen Permakultur und nicht unbedingt Bestandteil der Basisausbildung. Aber auch in anderen Bereichen wird ja in der Permakultur viel Wissen genutzt, das über die Ausbildung hinaus geht, z. B. über Baumschnitt oder Pflanzengemeinschaften. Permakultur bringt dieses Wissen in einen sinnvollen und nutzbringenderen Zusammenhang, als wenn es jeweils vereinzeltes Wissen bliebe.

Genauso ist es auch mit, sagen wir, Systemischem Konsensieren als konsensorientiertem Entscheidungsverfahren. Das ist kein Bestandteil der Permakultur-Ausbildung, aber wenn wir ein Miteinander gestalten wollen, in dem alle gehört werden und gleichzeitig die Schaffenskraft der Gruppe nicht durch einzelne Vetos gebremst wird, ist es ein hilfreiches Werkzeug, um es im Koffer dabei zu haben. Permakultur liefert mir die Gestaltungsprinzipien. Die konkreten Methoden, die jeweilige Gestaltung ins Leben zu bringen, können sehr unterschiedlich sein.

Wie bereichert die soziale Permakultur unser Miteinander?

Für mich persönlich ist sie ein Weg aus der Hilflosigkeit heraus. Wenn ich mir dysfunktionale Gruppen ansehe, dann weiß ich oft gar nicht, wo ich anfangen sollte, etwas zu verändern. Ein systemischer, analytischer Blick, der das, was ich beobachte, mit den Gestaltungsprinzipien abgleicht, kann mir die Ansatzpunkte deutlich machen.

Zum Beispiel ist mir in einer Gruppe aufgefallen, dass sie keine Ernte abwirft – Prinzip: „Erziele eine Ernte.“ Ich dachte erst, dass dieses Prinzipe nicht viel mit sozialer Permakultur zu tun haben könnte, glaube aber jetzt, dass es entscheidend für Gruppen ist, einen Ertrag zu erzielen, der über die Gruppe hinaus wirkt.

Ansonsten verliert die Gruppe das Interesse der Beteiligten und letztendlich auch ihren evolutionären Sinn. Dieser Ertrag braucht natürlich kein finanzieller zu sein, es könnte sich auch um Lebensfreude oder so etwas handeln. Den Abgleich zwischen Ist-Zustand und Gestaltungsprinzipien kann ich dann nutzen, um etwas zu verändern – oder um mit den anderen Beteiligten überhaupt erst einmal ins Gespräch zu kommen.

Wie verbindest du in deiner Arbeit Permakultur mit GFK?

Gewaltfreie Kommunikation ist wunderbar für die Verbindung zwischen Menschen, kann dabei aber die strukturellen oder systemischen Aspekte aus dem Blick verlieren. Diese Aspekte bringt die Permakultur ein. Mir selbst ist systemisches Denken immer leicht gefallen.

Mit der sozialen Permakultur habe ich jetzt die Möglichkeit, auch anderen Menschen einen leichten und verständlichen Zugang dazu zu vermitteln.

Konkret geht es zum Beispiel in einem Konflikt nicht nur darum, dass die beiden Seiten sich gegenseitig hören und verstehen können, sondern auch darum, ob die Vereinbarungen und Strukturen, in denen sich die beiden Seiten begegnen, den Konflikt möglicherweise begünstigen. Um den Konflikt wirklich zu bereinigen, ist es dann auch nötig, diese Strukturen umzugestalten – wofür Permakulturprinzipien hilfreich sind.

Kannst du uns zum Abschluss eine Übung schenken, die den Kern der sozialen Permakultur sichtbar macht?

Besuche einen Baum und vergegenwärtige dir möglichst viele Einflüsse, die auf den Baum wirken, und möglichst viele Arten und Weisen, wie der Baum auf seine Umgebung wirkt. Vielleicht skizzierst du dir einen Baum und zeichnest und benennst Pfeile zum Baum und vom Baum weg. Was wirkt auf den Baum? Worauf wirkt der Baum?

Dann mache das gleiche mit einem „sozialen“ Element. Das kann zum Beispiel ein Teamtreffen sein oder eine konkrete Vereinbarung, ein sozialer Ort oder eine soziale Handlung. Was wirkt auf dieses Element? Wie wirkt dieses Element auf andere Systemelemente?

Liebe Eva, vielen Dank für die Anregungen!



soziale PermakulturEva Ebenhöh lebt mit ihrer Familie in einem autofreien Wohnprojekt in Hamburg. Sie ist Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation, Permakulturdesignerin und Umweltaktivistin und ist der Meinung, dass das auf jeden Fall zusammen gehört. 

 

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