»Was New Worker lesen sollten«

  • 18.09.2019
  • von Marion King
Ein Interview mit t3n-Chefredakteur Luca Caracciolo über Arbeitskultur und Tech for Future ...
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Wer in der Organisationsentwicklung arbeitet, der kommt am Thema Digitalisierung nicht vorbei. Und wer zu digitalen Themen up to date sein möchte, der liest t3n. Wir haben mit Luca Caracciolo, dem Chefredakteur der Printausgabe, über das erfolgreichste, deutsche Magazin für digitale Wirtschaft gesprochen.

Ich lese eigentlich gar keine Print-Magazine mehr, schon gar keine Wirtschaftspresse. Und Newsletter habe ich so gut wie alle abbestellt. Ausser t3n. Euer Magazin habe ich sogar ganz Oldschool als Abo, weil ich finde, dass dort am zeitgemäßesten und relevantesten über Managementthemen, über Gesellschaft und alle Themen rund um Digitalisierung im weitesten Sinne berichtet und diskutiert wird. Bin ich mit der Meinung alleine?

Bist du nicht. Wir schaffen es tatsächlich gegen den Trend, in Print zu wachsen – im Q1 2019 im Vergleich zu Q1 2018 im Handel um fast 20 Prozent, im Abogeschäft um über zehn Prozent. Wir treffen mit unserer bunten Themenmischung und Expertise, der geringen Erscheinungsweise von vier mal im Jahr und unserer positiven, aber nicht unkritischen Haltung zu digitalen Themen offensichtlich einen Nerv.

Was ich sehr an eurem Heft und auch an den Newslettern schätze, ist der praktische Teil und die Anwendbarkeit. Wie schafft ihr es, so praxis- und umsetzungsorientiert zu sein?

t3n ist ja als „nerdy“ Tech-Magazin gestartet, in dem es vor allem darum ging, unseren Lesern Tipps und Anwendungsbeispiele für neue Webtechnologien zu liefern. Auch wenn wir uns im Laufe der Jahre thematisch immer breiter aufgestellt haben, ist der Kern von t3n gleich geblieben: Nutzwertige Inhalte, die den Lesern und Leserinnen in ihrer praktischen Arbeit helfen. Über die Jahre haben wir uns ein großes Fachautoren-Netzwerk und ein fachlich kompetentes Redaktionsteam aufgebaut, die für das Expertenwissen einstehen.

Was ist denn mit Deutschland und der Digitalisierung? So wirklich in Fahrt kommt dieses Land zu dem Thema ja nicht gerade. Die Digitalisierung gibt es ja nicht erst seit heute. Findet ihr die deutschen Unternehmen gehen “angemessen” damit um? 

Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Es gibt etliche Unternehmen in Deutschland, die die Herausforderungen erkannt haben und auch verstehen, dass Digitalisierung kein rein technisches Thema ist, sondern nahezu alle Unternehmensbereiche beeinflusst. Was dabei „angemessen“ ist, lässt sich nur im Einzelfall beurteilen. Haben die deutschen Autobauer das Thema zu lange ignoriert? Mag sein, aber das heißt nicht, dass sie jetzt keine Chance mehr haben. Schau zum Beispiel auf Tesla: Das Unternehmen von Elon Musk soll einen mehrjährigen Vorsprung bei der Batterietechnik und der Software haben. Aber was es heißt, ein globales Unternehmen mit der dafür nötigen Infrastruktur in den Bereichen Produktion, Vertrieb und Logistik aufzubauen, spürt Tesla erst in der jüngeren Vergangenheit – übrigens etwas, bei dem VW, Daimler und BMW klar im Vorteil sind.

Was ich damit sagen will: Es ist oftmals zu „einfach“, pauschal zu behaupten, Deutschland hänge bei der Digitalisierung hinterher. Wir müssen stärker differenzieren. Wenn wir über den Breitbandausbau und den Mobilfunk sprechen – ja, da muss Deutschland endlich aufholen und eine zukunftstaugliche Infrastruktur bereitstellen. Was einzelne Märkte und Branchen angeht: hier gilt es, sich die spezifischen Fälle anzuschauen. Was Startups und neue Geschäftsmodelle angeht: Berlin ist einer der wichtigsten Startup-Hotspots der Welt mit einem einzigartigen Ökosystem, in München sitzen hochinteressante Deep-Tech-Vorreiter wie Celonis, Magazino oder Lilium. Wir haben hervorragende Hochschulen mit technischem Schwerpunkt, wie die RWTH in Aachen oder die Universitäten in Karlsruhe und Darmstadt, die auch natürlich Keimzellen für Gründungen sind. Also: So schlecht ist Deutschland gar nicht aufgestellt.

Das Thema “Neues Arbeiten” hat in jedem Heft einen festen Bestandteil. Ihr berichtet über “neue” Arbeitsmodelle, Formen der Zusammenarbeit, hattet gerade auch ein Special #NewLeadership. Ihr kommt ja eigentlich aus dem Tech-Bereich und der Software-Entwicklung – wie haben sich die Themen im Lauf der Zeit gewandelt. Und wieso werden die Managementthemen immer stärker?

Ja, wir haben tatsächlich das Themenfeld „Karriere / Management / New Work“ in den vergangenen Jahren stark ausgebaut. Das liegt daran, dass Arbeit etwas ist, was jeden unmittelbar betrifft. Der Software-Entwickler, der Marketeer, der Shopbetreiber, der Freelancer: alle müssen sich nicht nur um ihr Fach kümmern, sondern eben auch um die Art und Weise des Arbeitens.

Wie kann ich eine gute Führungskraft sein? Wie schaffe ich es, ein gutes Team aufzubauen? Wie gehe ich mit Konflikten um? Was zeichnet gute Kommunikation im Unternehmen aus? Wie achte ich auf meine Gesundheit? Weil sich die Arbeitswelt stark wandelt, werden diese Fragen rund um Soft Skills immer wichtiger. Wir haben das erkannt und wollen unseren Lesern dabei helfen, die richtige Antworten auf diese Fragen zu finden.

Was ist eure Beobachtung zum Thema “New Work”. Was verändert sich? Was wird am meisten (mit euch) diskutiert?

Die Autonomie der Arbeit nimmt tendenziell zu, was natürlich mit einem erhöhten Verantwortungsgrad einhergeht. Wie jeder und jede Einzelne und auch die Unternehmen diese Transformation gestalten, ist der Kern vieler Diskussionen zur Zukunft der Arbeit. Das klassische Beispiel: Vor allem Digital- und Wissensarbeiter können heute im Grunde ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort frei wählen.

Wenn ich eine Nachteule bin, arbeite ich vielleicht von 11 bis 19 Uhr und verbringen die ersten beiden Stunden im Home-Office. Frühaufsteher fangen dagegen lieber um 7 Uhr an und machen um 15 Uhr Feierabend. Wenn Zeit und Ort aber frei wählbar sind, wie gehe ich mit dem Umstand um, dass man über digitale Kommunikationswege potenziell ständig erreichbar ist? Wie gestalte ich diese Freiheiten, so dass sie quasi nicht nach hinten losgehen und zusätzlichen Stress verursachen? 

Wie arbeitet ihr denn intern zusammen? Nutzt ihr Konzepte wie Holacracy oder Selbstorganisation? Wie geht Führung bei euch intern?

Wir arbeiten nicht komplett selbstorganisiert, haben aber einen gewissen Autonomiegrad in unseren Units. Das sind quasi unsere Unternehmensabteilungen: Content, Vertrieb, Backoffice, Technik, Kommunikation. Die Units selbst sind nochmal in Teams untergliedert, in der Unit „Content“ zum Beispiel die Teams „Online-Redaktion“ oder „Print-Redaktion“. Es gibt Team-Leads, also Teamleiter. Und es gibt Unitvertreter, die untereinander und vor allem auch als Interessensvertretung der Units im Austausch mit der Geschäftsführung stehen.

Wir verzichten dabei nicht auf Hierarchien, aber vor allem die Teams innerhalb der Units arbeiten weitgehend autonom. Diese Unternehmensorganisation ist relativ dynamisch, heißt: Wir verfeinern die Zusammenarbeit zwischen Geschäftsführung, Units und Teams immer weiter, Learnings und Erkenntnisse fließen meist direkt in die Prozesse ein.

Was sind die nächsten Themen, die ihr bearbeiten werdet? Was ist für euch relevant? 

Es gibt ein paar Themen, die einfach „hot“ bzw. Dauerbrenner sind. Die Zukunft der Arbeit aus kultureller, organisatorischer und technischer Sicht gehört sicherlich dazu. Wie können wir Arbeit besser und effizienter organisieren, so dass sie sich positiv auf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen als auch auf die Unternehmensziele auswirken? Dann natürlich alles rund um die wichtigsten Technik-Trends: Was hat wirklich Zukunft, wofür gibt es einfach nur eine gute Reklame? Also braucht die Welt jetzt wirklich faltbare Handys und wenn es tatsächlich so sein sollte, was muss ich als Tech-Professional alles darüber wissen?

Und nicht zuletzt versuchen wir unsere Leser über die wichtigsten Trends in den einzelnen Themenfeldern wie Marketing, E-Commerce oder Webentwicklung auf dem Laufenden zu halten. Müssen sich Marketeers jetzt mit TikTok auseinandersetzen? Wie können Shopbetreiber erfolgreich auf Marktplätzen agieren? Warum sollten sich Webdesigner mit ethischem Design beschäftigen?

Was müsste vielleicht auch viel mehr diskutiert, hinterfragt, verändert werden? 

Von einer Meta-Perspektive aus betrachtet sicherlich die globale Herausforderung einer digital-ökologischen Transformation der Wirtschaft. Also wie können wir es schaffen, Innovationen insbesondere im Bereich neuer Technologien so einzusetzen, dass sie uns dabei helfen, den Klimawandel abzumildern? Es geht schlicht um die Frage, wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammengehen kann. Dass wir dann in den Bereich des Politischen kommen, ist relativ klar: ohne sinnvolle Regulierung möglichst auf internationaler Ebene wird diese Herausforderung jedenfalls nicht zu meistern sein.

Das Thema beschäftigt euch, „Tech for Future“ ist das aktuelle Schwerpunkt-Thema. Seht ihr in der Digitalisierung die Chance oder als weitere Herausforderung, die es für den Planeten zu bewältigen gibt?

Beides. Zunächst müssen wir uns eingestehen, dass Digitalisierung per se natürlich einen Ressourcenverbrauch verursacht. Das ist uns im Alltag nicht klar, weil wir ja nur die schicken Benutzeroberflächen auf unseren Endgeräten sehen. Dahinter verbergen sich aber immense Rechen- und Serverkapazitäten. Zwei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes gehen auf Informations- und Kommunikationstechnologien zurück. Das entspricht ungefähr dem gesamten CO2-Ausstoß Deutschlands.

Auf der anderen Seite liegt in der Digitalisierung aber eine Chance – dafür gibt es viele Beispiele: Mit einer klugen Orchestrierung über Software ließe sich der Verkehr in Städten ressourcenärmer und platzsparender organisieren. Die Zukunft unserer Energieversorgung hängt stark von digitalen Lösungen ab. Mit neuen Technologien wie künstlicher Intelligenz und Quantencomputer ist es möglich, neue Materialien zu erforschen, um etwa langlebigere Energiespeicher zu entwickeln. Wir brauchen die Digitalisierung, um die Wirtschaft auf eine ökologisch nachhaltige Basis zu stellen. Aber das wird nur dann gelingen, wenn wir sie als Werkzeug klug und mit genau diesem Ziel einsetzen. Genau diesen Anspruch formulieren wir in der neuen Ausgabe mit unserem Claim „Tech for Future“.


Luca Caracciolo ist Print-Chefredakteur bei t3n, dem Magazin für die digitale Zukunft. Außerdem moderiert er den t3n Podcast und ist  Speaker auf den großen Digital-Events wie der re:publica in Berlin oder der XING New Work Experience in Hamburg. Neben den neuesten Trends und Entwicklungen im Netz, im Journalismus und den sozialen Medien beschäftigt sich der studierte Soziologe sehr stark mit Zukunftstechnologien wie Blockchain, Künstliche Intelligenz und Virtual Reality. 

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