»how to selbstorganisation«

  • 01.02.2023
  • von Gastautor*in
  • Lesezeit: 15 Minuten
Die Challenge: Ein Modul innerhalb der Ausbildung zum*r New Work Professional im Team selbst organisieren. Ob es geklappt hat?
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Dieser Text ist im Rahmen der siebten #zeitenreise entstanden, der Ausbildung zum New Work Professional von Les Enfants Terribles. Das letzte von fünf Modulen wird selbstorganisiert gestaltet und umgesetzt. Und darum soll es in diesem Beitrag gehen. Wie fühlt es sich an, wenn 18 Personen ein Modul gestalten – ohne Hierarchien und festgeschriebene Rollen? Wie sind wir vorgegangen, wie waren die beiden Tage, welchen Herausforderungen sind wir begegnet und was haben wir daraus gelernt?

Entstanden ist am Ende ein tolles zweitägiges Modul mit sehr viel Raum für Ideen, Visionen, Bewegung und der Lust, weiterzumachen. Die Zitate im Text stammen aus einer Umfrage zum Prozess, die wir während der Planung gemacht haben.

Wie sind wir dahin gekommen?

In vier Modulen hatten wir uns bis dahin auf eine Reise gemacht, durch Methoden, Tools – alles rund um das Thema „New Work“, Zukunft von Arbeit. Dabei gab es auch sehr viel Raum zur Selbstreflexion. Was sind meine eigenen Bedürfnisse, was ist mir selbst wichtig, wohin möchte ich gehen? Wir haben u. a. auch neue Organisationsmodelle wie Holocracy® kennengelernt, ein Modell, das statt auf klassischer Hierarchie auf selbstorganisierten Teams und Rollen basiert.

Ziel war es, verschiedene Modelle, Ansätze  und Werkzeuge kennenzulernen, aus denen wir in Zukunft schöpfen können. Das alles hat uns bei unserem Planspiel Selbstorganisation geholfen – und so ungefähr ist dann unser Modul 5 entstanden:

1. Phase: Die Aufgabenstellung

Das letzte Modul lag komplett in den Händen der Gruppe. 18 angehende New Work Professionals haben sich mit ihren Kompetenzen und sehr vielen Ideen an die Arbeit gemacht. Ausgangsfragen um die Tage gut zu gestalten waren:

→ Was braucht die Gruppe um nach zwei Tagen mit einem guten Gefühl aus dem Modul zu gehen?

→ Was hat in der Ausbildung bisher noch gefehlt?

→ Wovon wollen wir noch mehr?

→ Wie können wir es schaffen, ein Modul zu gestalten, das für alle einen Mehrwert hat?

»Mich reizt der Gestaltungsspielraum und das geniale Zusammenarbeitsgefühl.«

2. Phase: Das Chaos

Die Zielstellung ist klar, aber wie kommen wir dahin? Wir haben noch nie in dieser Konstellation in einem solchen Projekt zusammengearbeitet. Es entsteht erstmal Chaos. Verschiedene Bedürfnisse kristallisieren sich heraus: Manche starten direkt mit Vorschlägen, andere versuchen eine Struktur zu basteln, wieder andere wollen erstmal schauen, wie sich die Dynamik entwickelt.

Über Slack gibt es schon regen Austausch. Es geht in die Recherche. Was gab es schon, welche Themenwünsche sind in der Gruppe? Alle Freiheiten zu haben ist sehr aufregend. Also erstmal die Leitplanken abstecken: Wie viel Zeit steht zur Verfügung? Wie viele Ressourcen gibt es? Wie sieht die grobe Struktur aus?

Erster Schritt: Ein Kick-off Meeting.

3. Phase: Teams formen

Um besser ins Arbeiten zu kommen, braucht es kleinere Einheiten, denen Verantwortung übertragen wird und die innerhalb ihres Auftrags wiederum den Prozess so strukturieren können, wie es gut für sie passt. Wir haben uns für zwei Teams entschieden. Eine Orga-Gruppe, die für die Facilitation des Moduls verantwortlich ist, und eine Themengruppe, die die Themen identifiziert, Inhalte vorbereitet und Expert*innen einlädt.

4. Phase: Einen Plan machen

Die Teams haben sich dann getroffen und Pläne gemacht, das Vorgehen in verschiedene Abschnitte gegliedert und auf Miro ein Gerüst gebaut. Wir haben Themenwünsche gesammelt, Ideen, was wir noch lernen wollten. Alle hatten Zugriff auf die Themensammlung und konnten sie über die vorgegebene Zeit erweitern.

Über die Treffen hinweg hat sich die Themengruppe in kleinere Einheiten aufgeteilt. In verschiedenen Treffen und über Slack wurde an den Ideen und Inhalten gearbeitet.

Letztlich wurde über die Themen abgestimmt und festgelegt, woran wir weiter arbeiten und dann Verantwortlichkeiten in kleine Teams gegeben: Personen einladen, Formate erarbeiten, die Facilitation für die beiden Tage vergeben.

5. Phase: Das Ergebnis

Und dann war es soweit. Live und in Farbe haben wir uns zu unserem letzten Modul getroffen. Es lag viel Freude, Spannung und Aufregung in der Luft. Herausgekommen sind zwei dichte Tage, voller Überraschungen, neuer Erkenntnisse und Verbundenheit. Und hier kommt, was wir dann gemacht haben:

Tag 1: Check-in: Wo stehe ich gerade auf meiner Landkarte und wie fühlt sich das an?

Wir sind eingestiegen mit kollegialer Fallberatung zur eigenen beruflichen Veränderung. Dazwischen gab es viel Bewegung und Verbindung. An der Wand gab es eine Visualisierung unserer Reise. Während der zwei Tage konnte jeder seine wichtigsten Momente der Zeitreise anbringen, eine Retrospektive der Monate, die wir zusammen verbracht haben. Am Nachmittag gab es Lego Serious Play. Wir haben unsere „perfekte Zukunft“ gebaut – aus Lego. Entstanden sind sehr viele Kunstwerke: Co-Working Spaces und Inseln.

Tag 2: Wie wollen wir zusammen arbeiten?

Wie wollen wir weitermachen, wenn die #zeitenreise vorbei ist? Gibt es weitere Module, die wir selber organisieren, wollen wir sogar in anderen Formen zusammenarbeiten? Dieser Tag war intensiv, da so viele Ideen im Raum waren, die geordnet werden wollten. Der Prozess war Selbstorganisation at it’s best und am Ende haben wir es geschafft, die nächsten Schritte festzuhalten: Definitiv soll es im Frühjahr ein weiteres Modul geben und die gemeinsame Reise fortgesetzt werden.

Wir haben dann noch einen Brief an die Zukunft geschrieben, für eine andere Person aus der Gruppe, unseren Buddy, der uns in ein paar Monaten erreichen wird. Am Ende wurde es dann nochmal sehr emotional und sehr verbunden. Wir haben unsere persönlichen Reisen geteilt. Wie sind wir gestartet, wie hat sich die Reise angefühlt und wo stehen wir jetzt.

6. Phase: Evaluation

Was wir mitgenommen haben zur Selbstorganisation: Der Prozess lohnt sich immer. Am Ende entsteht genau das, was die Gruppe braucht und es kommt die Erkenntnis, dass die Widerstände, die ab und zu auftauchen, produktiv und wichtig sind. Es ist beeindruckend, an diesem konkreten Beispiel zu erleben, wie gut es funktioniert, wenn 18 Personen aus der Ferne zusammenarbeiten. Natürlich hat es geholfen, dass wir bereits viele intensive Module hinter uns hatten, die uns sehr inspiriert und zusammengeschweißt hatten.

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Welche Hürden sind uns auf dem Weg begegnet?

Ein Problem, dass jede*r aus dem Arbeitsalltag kennt: zu wenig Zeit. Daraus entsteht oft das Gefühl, den Überblick zu verlieren oder den Anschluss zu verpassen. Außerdem die Befürchtung, dass die Qualität unter dem Prozess leidet. Selbstorganisation braucht Zeit, damit sich die Gruppe einspielen kann und viel Metakommunikation über Erwartungen, Vorstellungen und Prozesse. Dies nimmt teilweise viel Raum ein und nervt auch bisweilen, da man inhaltlich gefühlt nur schleppend vorankommt.

Auch zu Widerstand führt, wenn einzelne Rollen sich nicht an Absprachen halten. Außerdem späte Rückmeldungen auf Fragen und dass nicht alle aktiv mitarbeiten und die Aufgaben ungleich verteilt sind innerhalb der Gruppe. Auch die Frage, ob Selbstorganisation bedeutet, dass Entscheidungen auf Konsens beruhen, also auch die Frage, wer welche Entscheidungen treffen kann. Vor allem unklare Prozesse führen zu Widerstand, sind aber in unserem Fall nicht wirklich erheblich, da ein großes Vertrauen und Verständnis herrschte.

»Es ist schwierig, wenn Personen mit sehr unterschiedlichen Kontrollbedürfnissen aufeinander treffen. Die einen finden, Entscheidungen zu treffen kann schnell und einfach gehen, die anderen brauchen mehr Regeln für das wann, wo, mit wem, was ist wenn …«

Was hat uns geholfen diesen Widerständen zu begegnen?

Was haben wir gelernt? Über Erwartungen sprechen, genug Zeit einplanen und dem Prozess zu vertrauen. Konstruktive Vorschläge unterbreiten für nächste Schritte, die eigenen Gefühle zum Prozess ehrlich kommunizieren. Eigene Entscheidungen mitteilen und die Reaktion darauf aushalten. Auf der persönlichen Ebene geht es darum, anzuerkennen, das unterschiedliche Menschen im Raum sind mit verschiedenen Themen und diese dort zu belassen.

Für sich selbst reflektieren, woher ggf. der eigene Widerstand im Prozess kommt. Manchmal einen Schritt zurücktreten, loslassen und aushalten, dass man in einem Gruppenprozess nicht alles kontrollieren kann und darauf vertrauen, dass so viel gutes Herz und geballte Intelligenz zu einem guten Ergebnis führen. Und natürlich hilft auch: Übung und Erfahrung.

»Rückbesinnen darauf, dass diese Prozesse normal sind und darauf vertrauen, dass hier so viel gutes Herz und geballte Intelligenz zusammenkommen, dass es auf alle Fälle gut wird.«

Unsere Learnings für gute Selbstorganisation, die sich auch in anderen Kontexten in den Alltag integrieren lassen:

  • Frühzeitig mit der Planung beginnen
  • Klarheit schaffen und Metakommunikation über Erwartungen und Wünsche
  • Geduld im Prozess und den Entscheidungen die Zeit geben, die sie brauchen
  • Vertrauen
  • Konstruktive Lösungsvorschläge einbringen
  • Spannungen ehrlich und direkt thematisieren
  • Immer das „Was braucht die Gruppe“ und das „Was möchte ich“ abwägen
  • Prozesse transparent machen, durch Visualisierung und Ergebnisprotokolle, und allen zur Verfügung stellen
  • Aufeinander Acht geben und um Hilfe bitten
  • Eine Retro machen

Dieser Text entstand aus der Erfahrung und dem Prozess der Ausbildungsgruppe: Sarah Schmitter, Silja Hinrichs, Simone Bäuchle, Anke Krause, Nicole Lewerenz, Laura Buikema, Hannah Kaljushny, Katja Kruschwitz, Melanie Schray, Katharina Czuckowitz, Eliane Zaccari, Agnieszka Payerl, Sorina Becheru, Sophie Metzler, André Kaeding, Bettina Kunert-Dreier, Bernarda Jakuli und Dijana Imamovic. Festgehalten wurden die Ergebnisse von Simone Bäuchle.

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